Vor 15 Jahren schaute ganz Fußball-Deutschland auf das Torwartduell zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann in der DFB-Nationalmannschaft. Außer ein paar öffentlichen Sticheleien blieb zunächst alles ruhig - bis ein Interview die Lage dramatisch verändern sollte.
Und dann ging auf einmal alles sehr schnell. Am nächsten Tag machte das große Boulevardblatt seine Zeitung mit der Schlagzeile "Klinsi killt King Kahn" auf. Das war Anfang April 2006 - und Fußball-Deutschland atmete einmal tief durch. Endlich war das unwürdige Spektakel zwischen den beiden Vorzeigetorhütern Oliver Kahn und Jens Lehmann beendet. Nun konnte die WM beginnen.
Alles angefangen hatte anderthalb Jahre zuvor im Oktober 2004. Damals hatte der neue Coach der DFB-Elf, Jürgen Klinsmann, den langjährigen Torwarttrainer der Nationalmannschaft, Sepp Maier, nach dem Länderspiel im Iran zur Seite gezogen und ihm kurz und schmerzlos offenbart, dass er ab sofort auf ihn verzichten werde. Nur wenige Tage später stellte der DFB als Maiers Nachfolger den ehemaligen Nationalmannschaftskeeper Andreas Köpke vor.
Und für Oliver Kahn, der nach der WM 1998 eben diesen Andreas Köpke als Torwart der DFB-Auswahl beerbt hatte, war nun klar, dass die Zeit, in der er unangefochten die Nummer eins auf der Torhüterposition der Nationalmannschaft war, unwiderruflich vorbei sei. Der Kampf um den Kasten war eröffnet - und Kahns ewiger Rivale Jens Lehmann wieder mitten im Spiel.
Verbale Spitzen
Doch obwohl die beiden fortan fleißig rotierten, rechnete anfangs eigentlich niemand damit, dass es zu einem dauerhaften Wechsel im Tor der Nationalelf kommen würde. Günter Netzer meinte über den Kapitän der DFB-Elf, Oliver Kahn: "Ich kann mich an keinen anderen erinnern, der so eine Bedeutung und Akzeptanz hatte." Und auch für den Weltmeister von 1990, Lothar Matthäus, war die Sache einfach. Er begründete seine Wahl für Oliver Kahn aus der Sicht des ehemaligen Spielers: "Wenn ich auf Oliver Kahn zulaufe, rutscht mir das Herz in die Hosen, schießen mir Dutzende von Gedanken durch den Kopf - und am Ende habe ich das Duell schon verloren."
Aber je näher die WM rückte, desto offensichtlicher wurde, welchen Plan Klinsmann langfristig mit dem Rausschmiss von Sepp Maier verfolgt hatte. Und genau aus diesem Umstand heraus schien Lehmann Woche für Woche mehr Selbstvertrauen zu ziehen. Seine Sticheleien gegen Kahn nahmen zu. Als er eines Tages gefragt wurde, warum sich denn die beiden Torhüter nichts zu sagen hätten, meinte der damalige Keeper des FC Arsenal: "Ich wüsste nicht, was wir reden sollten. Ich habe keine 24-jährige Freundin, ich habe ein anderes Leben." Manch einer hoffte damals schon, dass sich die Stimmung zwischen den beiden richtig hochschaukeln könnte. Wolfsburgs Trainer Eric Gerets dachte dabei allerdings an das Wohl seines eigenen Keepers: "Vielleicht schlagen sich Kahn und Lehmann mal den Schädel ein, dann bekommt Jentzsch auch eine Chance." Doch Kahn und Lehmann rissen sich zusammen - noch.
Denn als es schließlich endgültig in die finale Phase vor der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land ging, wurde der Ton zwischen den beiden rauer - bis es Anfang Februar endgültig eskalierte. Vorgelegt hatte dabei Oliver Kahn, als er auf die Feststellung einiger Experten, Lehmann sei der bessere Fußballer von den beiden, mit blank gezogenem Visier gekontert hatte: "Es gibt auch Leute, die sagen, es gebe Außerirdische."
"Wir kriegen die Bude nicht voll"
Redelings Nachspielzeit01.09.20
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Das ließ Lehmann wiederum nicht auf sich sitzen. In einem großen Interview mit einem Sportmagazin im Februar vor genau fünfzehn Jahren äußerte er sich zuerst allgemein sehr optimistisch, dass er es sein würde, der beim Eröffnungsspiel im Sommer in München im deutschen Kasten stehen würde, um dann noch mit einer eindeutigen Spitze auf Kahns Satz zu reagieren: "Ich weiß nur, dass ich als Torhüter einen linken und einen rechten Fuß haben sollte, um meinen Verteidigern die Möglichkeit zu geben, mir in Drucksituationen den Ball zurückzuspielen." Das Interview wurde nicht nur von Kahn als Fehdehandschuh verstanden. Der Streit war endgültig eskaliert.
Wie Klinsmanns Plan damals genau aussah, ist nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren. Aber in jedem Fall tat er Lehmann keinen Gefallen damit, ihn nur kurze Zeit nach dem Gespräch mit dem Sportmagazin im Testspiel in Florenz aufzustellen. Denn die 4:1-Schmach gegen Italien sollte das Fass in Deutschland endgültig zum Überlaufen bringen. Schon vorher war die Stimmung hundsmiserabel gewesen - doch nun befürchteten viele Experten ein echtes Desaster bei der WM vor der eigenen Haustür. Und Lehmann? Der hatte in dem Interview noch vollmundig versprochen: "Wir kriegen die Bude nicht voll." Das war gehörig schiefgelaufen für ihn.
Und als dann auch noch das nächste Testspiel drei Wochen später gegen die USA mit Kahn im Tor mit 4:1 gewonnen wurde, musste Klinsmann reagieren und die Sache beenden. Und so teilte er Anfang April Oliver Kahn mit, dass er bei der WM auf Lehmann setzen würde. Für den Bayern-Keeper war die Nachricht natürlich ein Schock. Zu gerne hätte er seinen Fehler im Finale der WM 2002 gegen Brasilien, nach einem überragenden Turnier zuvor von ihm, wieder gutgemacht.
Das Ziel, der Beste zu sein
Ben Redelings
Ben Redelings ist ein leidenschaftlicher "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und Anhänger des ruhmreichen VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt im Ruhrgebiet und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Für ntv.de schreibt er dienstags und samstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Weitere Informationen zu Ben Redelings, seinen aktuellen Terminen und Projekten gibt es auf seiner Seite www.scudetto.de.
Kurzfristig dachte Kahn sogar daran, alles hinzuschmeißen, doch dann erreichte ihn eine Nachricht seines langjährigen Torwarttrainers Maier: "Als Klinsmanns Wahl öffentlich wurde, habe ich Kahn eine SMS geschrieben. Der erste Satz war nicht schön, den kann ich nicht zitieren. Der zweite Satz war, du kannst dir doch von diesem schwäbischen Dingsbums da deine zwölf Jahre als Weltklasse-Torhüter nicht kaputtmachen lassen. Daran hat Kahn sich erinnert, bevor seine Entscheidung fiel. Sepp, hat er zu mir gesagt in der Kabine, Sepp, du hattest recht."
Der Rest ist Geschichte. Jens Lehmann spielte, Oliver Kahn saß auf der Bank und Deutschland erlebte sein Sommermärchen. Als schließlich im Viertelfinale gegen Argentinien in Berlin das Elfmeterschießen über den Einzug in die nächste Runde entscheiden musste, kam es dann aber zu wundervollen, versöhnlichen Bildern. Kahn legte den Arm auf Lehmanns Schulter und wünschte ihm viel Glück und Erfolg.
Als der Bayern-Keeper zwei Jahre später seine Karriere beendete, revanchierte sich Lehmann mit netten Worten über seinen langjährigen Widersacher: "Bei aller Rivalität muss ich sagen, dass mir deine Einstellung immer unheimlich imponiert hat. Das hat mich nie den Ansporn verlieren lassen, immer hart zu trainieren. Ich wusste immer, da ist jemand in München, der trainiert gerade härter oder genauso hart wie ich, um das Ziel, der Beste sein zu wollen, zu erreichen."
Und in diesem Moment war all das vergessen, was noch zwei Jahre zuvor in der Hochphase des legendären Torwartstreits mit vielen Emotionen die Schlagzeilen bestimmt hatte.
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